21. Januar 2020
Das Lagom-Konzept.
Die perfekte Mitte zwischen Mini- und Maximalismus.
„Hygge“ war gestern, das neue Schlagwort beim Einrichten lautet: „Lagom“. Wieder sind es die Schweden, die uns zu einem Konzept hinführen, das mehr ist als nur ein schicker Wohntrend. Vielmehr handelt es sich dabei um einen kompletten Lifestyle. Entspannung statt Verspannung. Loslassen statt festhalten. Zeit nehmen statt Zeit rauben lassen. Lagom ist für sich schon ein herrlich wohlklingender Name und umfasst alles, was das Leben einfacher, schöner, wundervoller und lebenswerter macht.
Wer sucht sie nicht, die perfekte Work-Life-Balance? Aber gibt es sie wirklich? Kann man ein Leben leben, unberührt vom Trubel draußen, welches der inneren Ruhe genügend Raum geben kann? Ist es möglich, den Alltag so zu gestalten, dass genügend Zeit für sich selbst bleibt? Wo liegt der Schlüssel zu diesem Glück? Ganz einfach: Man nennt es Lagom.
Die goldene Mitte
Lagom ist mehr, als ein hübscher Trend für Wohlfühlen in den eigenen vier Wänden. Lagom greift auch dort, wohin andere Konzepte ihre Fühler schon längst nicht mehr ausgestreckt haben. Übersetzt heißt Lagom „genau die richtige Menge“. Die Mitte finden, das Mittelmaß zwischen Überfluss und völliger Bescheidenheit. Das hört sich nicht nur gut an, dass fühlt sich auch so an. Denn auch wenn es viel von der eigenen Persönlichkeit abhängt, ob man Gaspedal oder Bremse im Leben bevorzugt, ist es doch gesund, die Mitte zu finden. Seine eigene und die aller Dinge, mit denen man sich umgibt. Schon Aristoteles sah das Glück in der Mitte und auch das asiatische Yin und Yang beruft sich auf den seelischen Einklang. Nur so kann man zu Ausgeglichenheit finden, ist der Alltag nicht nur ein zu bewältigender Berg, sondern etwas, auf das man sich täglich neu freuen kann.
Der nordische Begriff von Glück
Wir leben in einer Welt, die wenig mit Balance zu tun hat. Ob Klima oder Politik – wir sind umgeben von Ungleichgewichten und Extremen. Was liegt da näher auf der Hand, als wenigstens für sich selbst den Einklang zu finden? Das bewusste Leben, auf sich achten und in die Hand zu nehmen, was man noch selbst in die Hand nehmen kann. Gerade den Schweden ist die innere Balance sehr wichtig. So verwundert es sich, dass man in den nordischen Ländern die glücklichsten Menschen findet. Sie haben das Ethos von Lagom vollkommen ins eigene Leben integriert. Nachhaltig denken und handeln: bei Möbeln, Beauty-Produkten, finanziellen Anschaffungen und der inneren Einstellung zu Energieverbrauch und Materialnutzung. Es gilt – wie bei vielem – die richtige Balance zu finden. So bevorzugen die Schweden praktische Kleidung und tragen auch zu offiziellen Anlässen gern mal Jeans und Sweater statt feinsten Zwirn. Die perfekte Mitte zwischen Mini- und Maximalismus: für die Harmonie der Seele.
Ein 360-Grad-Konzept
Lagom ist also kein Hype, sondern eine kulturelle Eigenschaft, die die Schweden auszeichnet. Im Arbeitsleben zeigt sich das an einem besonders intensiv gelebten Teamspirit. Jeder Einzelne soll dabei immer gehört werden und bei allen entscheidenden Punkten mitbestimmen. Das führt teilweise zu längeren Meetings als man es anderswo gewohnt wäre, aber der Gemeinschaft wird immer Vorrang gegeben.
Einrichten mit Lagom
Auch in den eigenen vier Wänden soll das richtige Maß gefunden werden. Ausmisten, Platz schaffen für die Dinge, die wert und wichtig sind. Den Fokus auf die Dinge legen, denen man eine emotionale Bedeutung beimisst. Auch Licht spielt eine zentrale Rolle – braucht es doch gerade in den nordischen Ländern mit langen Wintern viele Lichtquellen, um das fehlende Sonnenlicht wieder wettzumachen. Die Formen des Lagom-Stils zeichnen sich durch Einfachheit aus. Schlichte Möbel und ausgesuchte Materialien wie Holz, Leinen oder robuster Stahl. Auch bei der Farbwahl dominiert die Zurückhaltung. Abgestimmt auf Boden und Wand, sind selbst die Accessoires innerhalb der vorgegebenen Farbfamilie gehalten und lassen einen monochromen Look entstehen. Akzente setzen hier nicht Eyecatcher-Farben, sondern Nuancen der gleichen Farbe in jeweils hellerer oder dunklerer Schattierung.
Harmonische Lagom-Küchen
Ob einzelne Regale und Schränke oder eine ausladende Kücheninsel: Hauptsache, alles harmoniert miteinander. Dunkle Böden bieten den perfekten Kontrast zu hellen Wandfliesen und Kräuter sowie Kletterpflanzen lassen die Natur in die eigene Küche einziehen. Im Esszimmer wartet ein großer Upcycling-Tisch aus Holz mit starken Metallbeinen. Die Lampe über dem Tisch ist auffällig, nimmt aber den Akzenten auf dem Tisch nicht den Vorrang: getöpfertes Geschirr und Krüge – einen knalligen Wow-Effekt sucht man hier vergebens. Ein Teppich sorgt für warme Füße.
Wie erreiche ich Lagom in meinem Zuhause?
- Aussortieren – nur was wirklich genutzt wird, erhält einen Platz
- Naturnahe Möbel nutzen – Qualität zählt hier vor Quantität
- Boden und Wand in Farbwelten von Weiß, Grau oder hellen Sandtönen halten
- Auch harmonische Blau-, Petrol- oder Rosétöne passen zum skandinavischen Stil
- Leichte, helle Stoffe in schlichten Farben verwenden
- Schnörkellose, filigrane Dekoration – Upcycling oder Second-Hand-Stücke
- Viele Lampen – natürlich energiesparend ausgestattet
- Pflanzen und Blumen – um die Natur in die eigenen vier Räume zu holen
Die Kehrseite der Suche nach der Mitte
Lagom kann helfen, die eigenen Prioritäten und Werte zu erkennen. Man muss aber auch hier das für sich selbst passende Mittelmaß finden, um nicht in das „Jante“ abzugleiten. So nennen die Schweden den Zustand, wenn Lagom ins Negative abrutscht, weil die Individualität zugunsten des Kollektivs nicht zugelassen wird. Das verhindert ein Streben nach Entwicklung und Ehrgeiz. So muss schlussendlich jeder für sich selbst entscheiden, wie viel Lagom ins eigene Leben passt. Aber die Mitte finden, dem Streben nach Mehr abschwören, ohne sich allzu sehr im Verzicht zu üben – dieses Konzept fühlt sich für viele richtig an.