1. September 2020
Local Food.
Die kompromisslose Rückkehr zum Regionalen.
Ob exotische Früchte, Gewürze oder Zubereitungsweisen: Die Globalisierung hat längst Einzug in unsere Supermärkte und Küchen gehalten. Doch der Gegentrend lässt nicht auf sich warten, denn Regionalität erfährt derzeit einen neuen Aufschwung. Anstatt in die kulinarische Ferne zu schweifen, besinnen sich Gourmets zurück auf das, was vor der eigenen Haustüre wächst. Wir haben uns angesehen, was es heißt, wenn der Hype rund um Local Food mitunter sogar „brutal lokal“ wird.
Wie eine Avocado, Quinoa oder Kimchi schmeckt, ist mittlerweile wohl den meisten bekannt – nicht nur Feinschmeckern mit Hang zum Exotischen. Doch kennen Sie auch den in Mitteleuropa heimischen Waldgeißbart und wussten, dass dessen junge Sprossen verzehrt werden können und im Aroma Spargel ähneln? Oder haben Sie schon einmal einen Gänseblümchensalat verkostet? Wenn nicht, dann wird es Zeit, den Food-Trend namens Local Food kennenzulernen.
LOCAL FOOD: DIE NEUE REGIONALITÄT
Regionalität ist, so kann man wohl sagen, in aller Munde. Wohl als Reaktion auf die immer deutlich spürbare Globalisierung möchten viele wieder erleben, wie eigentlich „Zuhause“ schmeckt. Es gehört zum guten Ton, sich auf dem Bauernmarkt mit frischem Obst und Gemüse aus der Region einzudecken. Kein Wunder, denn auf regionale Zutaten zu achten, bietet viele Vorteile. Dank der kürzeren Transportwege sind die Lebensmittel frischer und aromatischer, da sie zum perfekten Reifezeitpunkt geerntet werden können. Nebenbei trägt man etwas zum Klimaschutz bei. Man kann mit gutem Gewissen kaufen und genießen, da man zudem die heimische Landwirtschaft unterstützt. Local Food ist eine noch etwas strengere Auffassung all dessen: Dieser Trend legt nicht nur großen Wert auf regionale Ausgangsprodukte, sondern auch auf traditionelle Zubereitungsweisen.
MIT HYPER-LOCAL FOOD ZU TERROIR UND SAISONALITÄT
Der Trend zu mehr Regionalität ist jedenfalls nicht zu stoppen. Fast jedes Restaurant, das etwas auf sich hält, rühmt sich inzwischen seiner regionalen Küche. Manche sprechen sogar bereits von „Regional-Washing“, denn auch große Konzerne entdecken die Regionalität – oder zumindest deren Wirkung auf Konsumenten – für sich. Was zuvor als Alleinstellungsmerkmal unter vielen galt, ist zum Mainstream geworden. Der Hyper-Local Food-Trend geht die Sache daher radikaler an: Ein direkter Bezug zu den Lebensmitteln und ihren Produzenten ist gefragt. Hyper-lokale Restaurants beziehen ihre Zutaten von wenigen auserlesenen Lieferanten aus der unmittelbaren Umgebung, zu denen sie engen Kontakt pflegen. Diese arbeiten häufig mit nicht-industriellen Methoden und produzieren nur kleine Mengen, wodurch hyperlokales Essen einen exklusiven Charakter erhält. Plötzlich ist das Terroir nicht mehr nur beim Wein ein Thema. Teilweise werden alte oder seltene Sorten kultiviert, sodass Hyper-Lokalität auch die Artenvielfalt fördert. Oder an die Gaststätte ist sogar ein eigener Fischteich oder Kräutergarten angegliedert. Hinzu kommt außerdem ein saisonaler Aspekt. Nur das, was die Natur zur jeweiligen Jahreszeit zu bieten hat, landet auf dem Teller.
BRUTAL LOKAL: DIE „WILDE“ SEITE VON LOCAL FOOD
Da geht noch mehr? Aber ja – die sogenannte brutal-lokale Küche legt noch eins drauf und wagt sich in experimentelle Gebiete vor. Es ist die Verabschiedung von dem Gedanken, dass Nahrungsmittel nur auf Feldern wachsen. Beim „Foraging“ (Englisch für Nahrungssuche) dienen Wald und Wiese als Speisekammer, die „Wild Food“ – also nicht-landwirtschaftliche Produkte – bereithält. Dazu zählen endemische Pflanzen und Tiere wie etwa Wildfleisch und Wildkräuter. Den brutal-lokalen Trend bekannt gemacht haben die Vordenker der skandinavischen Küche, darunter der Däne René Redzepi mit seinem Restaurant „Noma“. Dort wird mit Tannenzapfen und Moos gekocht, es werden Bucheckern und Birkenrinde zu Mehl gemahlen oder Brennnesselblätter und Löwenzahn in den Salat gezupft. Für Transparenz sorgen Herkunftsangaben wie R50 – diese Kennzeichnung sagt aus, dass das jeweilige Produkt aus einem Umkreis von 50 Kilometern stammt.
GLOKAL LEBEN UND ESSEN: DAS BESTE AUS BEIDEN WELTEN
Wem das zu drastisch erscheint und wer nicht auf sein liebgewonnenes Curry und dergleichen verzichten will, wird bei Glocal Food fündig. Darunter versteht man die Fusion aus lokal-regionalen und global-internationalen Einflüssen. Die strikte Trennung wird aufgehoben und die vermeintlichen Gegensätze werden zusammengeführt. Und damit kommen wir im Prinzip wieder in unser aller Küche an, wo wir längst Exoten wie Süßkartoffel und Co. in unsere altbekannten Gerichte wie Aufläufe und Eintöpfe integrieren. „Think globally, act locally“ – diese Lebenseinstellung ist insgeheim eben längst auch hinter dem Herd angekommen.
5 TIPPS FÜR MEHR LOCAL FOOD AM SPEISEPLAN
- Besuchen Sie nach Möglichkeit Bauernmärkte oder kaufen Sie direkt beim Erzeuger „ab Hof“.
- Viele Bioläden setzen auf Kooperationen mit regionalen bzw. lokalen Herstellern.
- Treten Sie einer Foodcoop, also einer selbstorganisierten Einkaufsgemeinschaft von Privatpersonen, bei. Solche Lebensmittelkooperationen sind in allen größeren Städten zu finden.
- Informieren Sie sich, welches Obst und Gemüse Saison hat, und suchen Sie passende Rezepte aus.
- Achten Sie auch bei der Auswahl von Restaurants auf authentische Regionalität.