19. Januar 2021

EDELSCHIMMEL – DER LEBENSMITTEL-VEREDLER.

MIT KLEINEN SPOREN ZU GROSSEM GESCHMACK.

Normalerweise sind Schimmelpilze keine gern gesehenen Gäste in der Küche. Doch manchen Spezialitäten verleihen sie erst den letzten Schliff. Vom Käse über die Salami bis zur asiatischen Fischsauce brauchen einige Lebensmittel die Hilfe dieser Kleinstlebewesen, um zum vollen Geschmack zu reifen.

DER NUTZEN VON EDELSCHIMMEL FÜR LEBENSMITTEL

Anders als „gemeine“ Schimmelpilzarten ist Edelschimmel nützlich – ja, sogar erwünscht. Im Gegensatz zu den schädlichen Kollegen erzeugen diese Pilzarten keine oder nur gesundheitlich unbedenkliche Mengen an Mykotoxinen, also giftigen Stoffwechselprodukten. Stattdessen lösen sie chemische Reaktionen an der Oberfläche oder im Inneren von Lebensmitteln aus, die dessen Eigenschaften positiv verändern. Der Einsatz von Edelschimmel ist eine Form der Fermentation. Darunter versteht man die Behandlung von Lebensmitteln durch Mikroorganismen wie Bakterien, aber eben auch Pilze. Dieser Prozess hat vier willkommene „Nebenwirkungen“:

  1. Edelschimmel dient der Konservierung und macht die Lebensmittel, die er befällt, haltbarer.
  2. Andere, schädliche Mikroorganismen werden daran gehindert, das Lebensmittel zu besiedeln, oder giftige Bestandteile werden abgebaut.
  3. Mit Edelschimmel kann man einen höheren Nährwert erzielen. Schlechte oder unverdauliche Bestandteile (z. B. Laktose oder Stärke) werden durch Enzyme des Pilzes in verdaulichere Moleküle aufgespalten.
  4. Edelschimmel verbessert den Geschmack und macht Lebensmittel würziger. Der Pilz wirkt sozusagen als natürlicher Geschmacksverstärker.

EDELSCHIMMEL: EIN VIELSEITIGER AROMABRINGER

Von diesen Effekten der Edelschimmelpilze profitiert der Mensch vermutlich bereits seit der Jungsteinzeit. Damals entwickelte man das Töpferhandwerk und konnte nun auch flüssige Lebensmittel lagern. Seither wurde viel mit Edelpilzen experimentiert und eine ganze Bandbreite an Lebens- und vor allem Genussmitteln würde es ohne sie gar nicht geben. Dass etwa im Hefeteig Hefepilze am Werk sind, ist vielen bekannt. Aber wussten Sie, dass auch Kakao und Schokolade dadurch veredelt werden? Die Hefepilze gelangen von den Schalen der Kakaofrucht oder der Haut der Arbeiter auf die Bohnen und lassen sie während der Trocknung reifen. Ähnliches passiert mit Kaffeebohnen. Und wenn wir schon bei Getränken sind: Auch bei dem kostbaren Pu-Erh-Tee, Kombucha und Kefir sind Pilze im Spiel. In Asien nutzt man die Fermentation mit Schimmelpilzen schon besonders lange, denn das Klima lässt Lebensmittel schnell verderben. Sojasauce, Fischsud und Fischsauce sind solche fermentierten Spezialitäten, ebenso der Fleischersatz Tempeh.

SCHIMMELKÄSE

Einer der bedeutendsten und wohl auch bekanntesten Bereiche für Edelschimmel ist Schimmelkäse. Die Herstellung ist seit über 1000 Jahren belegt. Dabei unterscheidet man zwischen zwei Methoden, wie der Pilz zum Käse kommt. Bei Blauschimmelkäse züchtet man Schimmelsorten der Gattung Penicillium auf eigens dafür gebackenen Brotlaiben. Diese werden schließlich getrocknet, gemahlen und mit Wasser verflüssigt. Die Lösung wird in das Innere der Käselaibe eingespritzt, wo der Schimmel mit dem Käse reifen kann. Roquefort wird teilweise immer noch auf diese traditionelle Weise produziert. Oft stammt der Pilz aber mittlerweile aus dem Labor. Weitere Beispiele sind der heimische Österkron und der Ennstaler Steirerkäse. Weißschimmelkäse wie Camembert und Brie werden hingegen nur äußerlich mit Schimmelpilz behandelt. Er sorgt für die weiche, weißliche Rinde.

WURSTWAREN

Einen solchen weißlichen Belag – den sogenannten Schimmelrasen – findet man auch auf vielen Salamis. Die Verwendung von Schimmelpilzen auf luftgetrockneten Rohwürsten ist in Süd- und Osteuropa weit verbreitet. Dazu taucht oder sprüht man die frisch gefüllten Würste in bzw. mit Schimmelpilzlösungen ein. Der Edelschimmel verwandelt das enthaltene Eiweiß und Fett in Amino- und Fettsäuren, die der Salami den typischen Geschmack verleihen. Außerdem macht er die Würste zarter, aromatischer sowie leichter schälbar und verhindert ihr Austrocknen. Allerdings wird der Belag nicht immer auf den Produkten belassen. Beim Südtiroler Bauernspeck wäscht man ihn zum Beispiel ab.

EDELSCHIMMELWEIN

In der Lebensmittelindustrie ist vor allem die alkoholische Gärung bedeutend. Die Hefe im Bier kennt wohl jeder. Eine Sonderstellung nimmt hingegen der Edelschimmelwein, auch Botrytiswein genannt, ein. Hier befallen Schimmelpilze die reifen Trauben an der Rebe. Ihre Enzyme durchbohren die Schale mit kleinen Löchern, sodass Feuchtigkeit entweicht. Am Ende sehen die Beeren aus wie schrumpelige Rosinen – und sind ähnlich süß, denn der Zucker und die Aromastoffe konzentrieren sich im Inneren. Das Ergebnis: ein honigartiges Bouquet, das für die sogenannte Auslese, Beerenauslese oder Trockenbeerenauslese charakteristisch ist. In Österreich ist vor allem das Burgenland mit seiner Weinregion rund um den Neusiedlersee dafür bekannt.

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