4. Mai 2021

MÜHLVIERTLER BLAUDRUCK.

STOFFVEREDELUNG MIT TRADITION.

Eine Region macht blau – und das hat Tradition! Das Mühlviertel ist seit Generationen weithin bekannt für den Blaudruck. Die leuchtend blauen Stoffe, mit weißen Mustern und Ornamenten verziert, kommen als „Slow Fashion“ wieder mehr in Mode. Wir haben das Textilhandwerk genauer unter die Lupe genommen.

BLAUDRUCK: DIE PERFEKTE ERGÄNZUNG ZU MÜHLVIERTLER LEINEN

Vor nicht allzu langer Zeit klapperten im Mühlviertel noch zahlreiche Webstühle. Ab dem 13. Jahrhundert baute man hier nämlich Leinen, auch Flachs genannt, an. Die Halme der blaublühenden Pflanze wurden im Winter von den Frauen zu Fasern versponnen und von den Männern zu Stoffen gewebt. Ein Nebenprodukt davon ist übrigens das Leinöl, ebenfalls eine Mühlviertler Spezialität. Durch das raue Klima ist Mühlviertler Leinen besonders strapazierfähig. Das machte das Gewebe in der ganzen Habsburgermonarchie begehrt. Und wo die Flachsbauern lebten, waren die Färber nicht weit. Sie veredelten die Stoffe noch weiter. Der Blaudruck mit Indigo kam im Laufe des 19. Jahrhunderts in die Region. Es war die Blütezeit des ansässigen Textilhandwerks, mit 17 Färbereibetrieben und zahlreichen hauseigenen Webereien, darunter etwa die Leinenmanufaktur Leitner.

SO FUNKTIONIERT DER BLAUDRUCK

Der Blaudruck ist ein komplexer, aufwendiger und vor allem zeitintensiver Vorgang. Die Technik stammt vermutlich ursprünglich aus Indien. Streng genommen ist der Blaudruck aber gar kein Druckverfahren. Der Stoff wird blau gefärbt, gedruckt werden hingegen die Muster darauf. Dieser sogenannte Reservedruck passiert vor dem Färben, indem man Leinenstoff auf einen Tisch aufspannt. Nun braucht man Modeln und Papp. Modeln sind die hölzernen Druckerplatten, auf denen Messingstifte und -streifen das jeweilige Muster formen. Sie werden mit Papp bestrichen, einem farbabweisenden Mittel. Jeder Blaudrucker hat dafür seine eigene geheime Rezeptur. Die Grundzutaten sind Gummi arabicum, Harz, Kaolin, Grünspan, Talg, Salpetersäure und Blei. Mithilfe der Model trägt man die Masse auf den Stoff auf. Nun muss die Stoffbahn vier Wochen lang trocknen. Anschließend wird sie wiederholt ins Indigo-Farbbad, die Küpe, getaucht. An der Luft oxidiert der Farbstoff und verwandelt sich von Gelb über Grün in das berühmte leuchtende Blau. Der Papp wird mit verdünnter Schwefelsäure und Wasser ausgewaschen. Die Stellen, die damit bedruckt wurden, nehmen den Farbstoff nicht an. Sie erscheinen am Ende in der natürlichen Ursprungsfarbe des Stoffes – die ist bei Leinen Weiß.

GELEBTE TRADITION IN DER BLAUDRUCKEREI WAGNER

Einst weitverbreitet, gibt es heute nur noch einen einzigen Mühlviertler Blaudrucker-Betrieb. In der Blaudruckerei Wagner in Bad Leonfelden übt die Familie Wagner weiterhin das traditionelle Handwerk aus. In den rund 140 Jahren seit der Gründung der Manufaktur hat sich in der Werkstätte kaum etwas geändert. Man arbeitet weiterhin ausschließlich per Hand mit alten Modeln. Deren Muster und Ornamente sind stark regional geprägt und zeigen heimische Pflanzen wie Vergissmeinnicht, Frauenschuh, Kornblumen, Hopfen oder Getreideähren.

VON TRACHT BIS TISCHTÜCHER

Viele Österreicher kennen den Blaudruck vor allem von der Tracht. Neben Dirndlschürzen und -kleidern macht sich der Blaudruck aber auch auf Möbelbezügen und Tischwäsche sehr gut. Es mutet fast wie eine Ironie des Schicksals an, dass dieses Handwerk nun wiederentdeckt wird. Denn nach 1900 starb die Mühlviertler Textiltradition durch die globalisierte Modeindustrie und den Baumwoll-Boom fast aus. Mittlerweile gilt diese Handwerkskunst als umso exklusiver und findet wieder vermehrt Liebhaber. 2018 erkannte die UNESCO den Blaudruck sogar als immaterielles Weltkulturerbe an. Eine großartige Anerkennung für den einstigen „Arme-Leute-Druck“!

DEN MÜHLVIERTLER BLAUDRUCK ERLEBEN

Wer Interesse an der Geschichte des Mühlviertler Blaudrucks hat, ist im Färbermuseum Gutau im unteren Mühlviertel gut aufgehoben. Im historischen Färberhaus untergebracht, macht die Ausstellung dieses Handwerk hautnah erlebbar. Auch die Blaudruckerei Wagner kann nach Voranmeldung, je nach Lage der derzeit geltenden gesetzlichen Vorgaben, bei einer Führung durch den Betrieb besichtigt werden.

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