27. April 2021

WIENER GEFLECHT – EIN KLASSIKER KEHRT ZURÜCK.

DER THONET-LOOK ZWISCHEN WIENER KAFFEEHAUS UND MODERNEM ZUHAUSE.

Kennen Sie es auch, dieses leise Knarzen? Wenn Sie ein Liebhaber von Wiener Geflecht sind, dann bestimmt. Egal ob Sie auf einem original Thonet-Stuhl oder einer modernen Interpretation davon Platz nehmen, der Klassiker unter den Geflechtmöbeln wird seit über 150 Jahren überall wiedererkannt. Nun ist der Look zurück und erobert nach den Kaffeehäusern auch Privatwohnungen. Wir verraten, wie Sie den Trend heute umsetzen und kombinieren.

WIENER GEFLECHT: EIN PIONIER UNTER DEN ANTIQUITÄTEN

Auf wie vielen Dachböden Europas wohl Einrichtungspotenzial in Form von Wiener Geflecht schlummert? Einige werden es wohl schon sein, denn diese Bugholzmöbel mit der einprägsamen Rattan-Bespannung gelten als Startschuss für den industriellen Möbelbau. Genauer gesagt war es das Familienunternehmen Thonet, welches das Potenzial dieser Bauweise erkannte. Der berühmte Kaffeehausstuhl Nr. 14 – der heute übrigens unter der Modellnummer 214 firmiert – wurde allein zwischen 1850 und 1930 über 50 Millionen Mal hergestellt. Schon damals sorgte er für Furore, indem er eine neue Leichtigkeit in die prunkvollen k. u. k. Interieurs brachte. Es war auch das Zeitalter, in dem traditionelles Handwerk und Industrialisierung aufeinandertrafen. Während der Rahmen des Stuhls industriell vorproduziert wurde, setzten vornehmlich Heimarbeiterinnen das Wiener Geflecht anschließend in Handarbeit ein. Durch diese Arbeitsteilung konnte der Thonet-Stuhl große Verbreitung finden, da sich nun die breite Masse diese Sitzmöbel leisten konnte. Vor allem in Wiener Kaffeehäusern zählten Stühle mit Wiener Geflecht bald zum Inventar. Dieser Umstand verlieh dem Flechtwerk schließlich seinen Namen.

WAS DAS WIENER GEFLECHT SO BESONDERS MACHT

Schon seit der Antike werden verschiedenste Materialien mittels Flechten in bestimmte Formen gebracht. In Deutschland wurde das Flechthandwerk sogar in die Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Der Import neuer Rohstoffe aus den Kolonien erweiterte ab dem 17. Jahrhundert schlagartig die Möglichkeiten dieser Handwerkskunst in Richtung Möbelbau. Wiener Geflecht besteht aus dem geschälten Stamm der Rattan- bzw. Rotangpalme, das auch als Peddigrohr bekannt ist. Mithilfe von heißem Dampf werden die Fasern biegsam und elastisch gemacht, um für mehr Sitzkomfort zu sorgen. Gleichzeitig ist das Material sehr robust und langlebig. Bei Wiener Geflecht handelt es sich um eine bestimmte Flechtform mit hohem Wiedererkennungswert. Charakteristisch ist das achteckige Wabenmuster aus sechs miteinander verflochtenen Peddigrohrsträngen. Diese werden, ausgehend von einer gitterartigen Grundstruktur, längs, quer und diagonal verbunden. Je engmaschiger das Geflecht, desto hochwertiger und robuster ist dessen Qualität.

WIENER GEFLECHT ALS KLASSIKER DES MÖBELBAUS

Erste Beispiele von Wiener Geflecht sind bereits aus dem Barock bekannt. Doch so richtigen Aufschwung erhielt diese Möbelart im 19. Jahrhundert mit Thonet. Seither hat es Generationen von Möbeldesignern, wie etwa Mies van der Rohe, Josef Hoffmann und Marcel Breuer inspiriert. Eine Zeit lang galt Wiener Geflecht als eher altmodisch, doch nun sieht man es wieder häufiger. Ob Interior-Blogger, Wohnmagazin oder Möbelmessen: Alle sind im Geflecht-Fieber! Ganz so überraschend erscheint das Comeback nicht. Immerhin ist Natürlichkeit beim Wohnen angesagt. Waren aber bis vor Kurzem mitunter noch eher kühle Materialien angesagt, sehnen wir uns jetzt nach mehr Wärme und Gemütlichkeit. Davon zeugt auch die steigende Beliebtheit von Steingut-Geschirr und Zimmerpflanzen. Dass Rattan einer der nachhaltigsten Stoffe der Möbelbranche überhaupt ist, befeuert den Trend noch weiter. Rattan ist nicht nur ein schnell nachwachsender Rohstoff, sondern Wiener Geflecht punktet auch mit Langlebigkeit. Darüber hinaus kann es repariert werden.

SO KOMBINIERT MAN HEUTE WIENER GEFLECHT

Hat man es einmal gesehen, erkennt man es sofort wieder. Wiener Geflecht wirkt sehr dekorativ und trotzdem sieht man sich lange nicht daran satt. Das liegt wohl an dem gelungenen Kontrast zwischen Verspieltheit und geometrischem Minimalismus. Es ist definitiv ein Hingucker und dennoch schlicht und elegant. Ein richtiger Klassiker eben, der sich mit seinem zeitlosen Charme in viele Einrichtungsstile integriert. Neben dem klassischen Stil passt Wiener Geflecht auch ideal zum skandinavischen Wohnen oder zum Boho-Look. Auch in Kombination mit Farben und anderen Materialien ist das Wiener Geflecht nicht wählerisch. Durch seine luftig-leichte Struktur ist es perfekt für große Möbel. Beispielsweise nimmt es Schränken, Betthäuptern und Raumtrennern die Wuchtigkeit. Sogar Küchenfronten wurden damit schon verkleidet. Wer sich noch unsicher ist, kann sich über Accessoires wie Lampen und Dekokörbe an den Look heranwagen. Besonders schön ist, dass Wiener Geflecht mit der Zeit nachdunkelt und so eine charmante Patina erhält. Setzt man das Material im Außenbereich ein sollte man darauf achten, dass es wettergeschützt steht. Möbel aus ganzen Rattanrohren haben meist eine deutlich bessere Witterungsfestigkeit. Diese kann erhöht werden, wird der Rattan lasiert oder lackiert. So kann man auch im Sommer die Leichtigkeit der Rattanmöbel im Außenbereich genießen. Um zu verhindern, dass das Wiener Geflecht bei Trockenheit und Sonnenbestrahlung spröde wird, sollte man die Bespannung regelmäßig etwas befeuchten. So lässt sich die natürliche Elastizität gut erhalten. Bei der richtigen Pflege hat man lange Freude an seinen Möbelstücken mit Wiener Geflecht.

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