14. April 2020
Mythos Steinkreis.
Zwischen Faszination, Fiktion und Fakten.
Wurden sie von Feen erbaut, vom Zauberer Merlin aus der Artussage herbeigeschafft oder von keltischen Druiden errichtet? Gewaltige Steinkreise wie Stonehenge wecken seit Jahrhunderten die Fantasie der Menschen. Doch sie sind nicht nur Gegenstand vieler Geschichten, sondern auch der Geschichtsforschung. Diese hat einige spannende Erkenntnisse hervorgebracht, die mit so manchem Mythos, rund um die steinernen Monumente, aufräumt.
Stonehenge im englischen Salisbury ist wohl das bekannteste Beispiel eines Steinkreises, aber bei weitem nicht das einzige. Kreisförmig angeordnete, aufrecht stehende oder liegende Steine wurden in vielen Gebieten Europas gefunden, von den britischen Inseln und Irland über Westfrankreich bis hin zu Skandinavien und Mitteleuropa. Generationen von Forschern haben sich mit diesen beeindruckenden Bauten auseinandergesetzt. Einer von ihnen war der Altertumsforscher John Aubrey, der Ende des 17. Jahrhunderts Stonehenge untersuchte und die Steinkreise von Avebury entdeckte. Von ihm stammt die Theorie, dass keltische Druiden die Architekten dieser Anlagen gewesen sein mussten. Auch wenn diese Annahme bis heute populärwissenschaftlich weit verbreitet ist, ist sie mittlerweile widerlegt.
„Keltische“ Steinkreise?
Messungen ergaben, dass die meisten Steinkreise rund 3000 Jahre vor der Keltenzeit errichtet wurden. Möglicherweise wurden sie später von den Kelten benutzt und auf ihr Weltbild hin adaptiert. Allerdings hat selbst hier vieles mehr mit Fiktion als mit historisch belegten Fakten zu tun. Von Druiden vollzogene, blutige Menschenopfer inmitten der Steinkreise sind höchstwahrscheinlich ebenso unwahr wie die Geschichte, dass der Magier Merlin dahintersteckt. Vielmehr handelt es sich dabei um fantasievolle Ausschmückungen historischer Schreiber, die mitunter politisch motiviert waren. So trugen schon „Berichte“ aus der Römerzeit zum Mythos rund um die Kelten und Steinkreise bei.
Stumme Zeugen der Megalithkultur
Tatsächlich sind die Steinkreise Überreste der sogenannten Megalithkultur, der „Kultur der großen Steine“. Sie hinterließen neben Steinkreisen auch Dolmen, Steinalleen und Ganggräber (Cairns). Die auffällige Ähnlichkeit legt nahe, dass sich das Wissen um die Steinbauten von Nordwestfrankreich aus in den Mittelmeerraum und später bis zu den britischen Inseln ausbreitete. Dadurch verblüfft die Megalithkultur nicht nur mit ihren Steinkreisen, sondern auch mit deren Verbreitung: Die jungsteinzeitliche Seefahrt und maritimen Handelswege waren wohl deutlich besser ausgebaut und organisiert als bisher angenommen.
Der größere Sinn hinter den Steinkreisen
Die weite Verbreitung der Steinkreise könnte auch einen Hinweis darauf geben, warum sie überhaupt errichtet wurden. Die Jungsteinzeit war mitunter eine Zeit der Migration, in der Ackerbauern und Viehzüchter von Kontinentaleuropa Richtung Skandinavien und Großbritannien wanderten. Sie brachten neue Errungenschaften wie Hakenpflug, Rad und Wagen mit, die die Ernährungsgrundlage für mehr Menschen sicherten. Und sie veränderten die Struktur der Gesellschaft, indem Verwandtschaft durch das Vererben von Land und Besitz wichtiger wurde. Eine Hierarchie bildete sich heraus. Die Steinkreise, so vermuten Forscher, sind Ausdruck dieser Hierarchie. Diese Anlagen zusammen zu errichten gab den großen und verstreut lebenden Gesellschaften einen geteilten Sinn und damit eine gemeinsame Identität.
Ein ewiger Mythos
Darüber hinaus sind natürlich noch andere, „praktischere“ Nutzen der Steinkreise denkbar, etwa als astronomischer Kalender, Grabstätte und Versammlungsort. Auch an der Verwendung als Ritual- und Kultstätte dürfte etwas Wahres dran sein. So nehmen manche Sprachforscher an, dass das Wort Kirche mit dem lateinischen „circus“ – dem Wort für Kreis – verwandt sein könnte. Dass die Steinkreise jemals alle ihre Geheimnisse preisgeben werden, ist jedoch fraglich. Daher dürften die imposanten Monumente weiterhin ein Mysterium bleiben.
Steinkreis im Mühlviertel: Waldkapelle Maria Rast
Wer die Faszination der Steinkreise selbst erleben will, hat auch im Mühlviertel die Gelegenheit dazu. Nahe der Waldkapelle Maria Rast in Helfenberg finden sich die Überreste dreier Steinkreise, die vermutlich zwischen 1600 und 1200 v. Chr. errichtet wurden. Sie zeugen von der besonderen kultischen Bedeutung, die dieser Ort lange vor dem Bau der Kapelle hatte. Das Herzstück der Kapelle ist ebenfalls ein Stein. Der Legende nach soll darauf die Heilige Familie auf ihrer Flucht nach Ägypten gerastet haben. Aus Mitleid erweichte der Stein und drei Vertiefungen entstanden. Somit ist das ohnehin schon sagenumwobene Mühlviertel um einen steinernen Mythos reicher.