25. Mai 2021

DIE MÜHLVIERTLER KÜCHE.

BODENSTÄNDIG, VIELFÄLTIG UND AUSGESPROCHEN KREATIV.

Regionalität erlebt nicht nur bei den Zutaten, sondern auch bei den Rezepten einen Aufschwung. Daher besinnen wir uns auf die traditionelle Mühlviertler Küche zurück. Was macht sie aus und welche Gerichte stecken wohl hinter Kuhhäuten, Wespennestern und Wetzsteinen? Wir heben so manch vergessen geglaubten kulinarischen Schatz aus Omas Kochbuch …

VON KARTOFFELN BIS LEINÖL: DIE ZUTATEN DER MÜHLVIERTLER KÜCHE

Einer Landschaft, die bekannt ist als Granitland, der muss man die Ernte abringen. Die Mühlviertler Küche ist daher geprägt von dem, was die Erde und die Jahreszeiten hergeben. Zu den Mühlviertler Spezialitäten zählt neben dem bekannten Leinöl, Bier und Most – wie auch im angrenzenden Waldviertel – Mohn. Ein wichtiges Grundnahrungsmittel sind Kartoffeln. Die „Erdäpfel“ wurden hier schon im 17. Jahrhundert eingeführt und machten das Mühlviertel zu einer österreichischen Pionierregion für den Kartoffelanbau. Beim Gemüse dominierten lange Kraut und Rüben. Fleisch kam traditionell eher selten auf den Tisch, und wenn, dann meist in Form von lange haltbarem Speck und Geselchtem. Gebraten und gebacken wurde und wird viel mit Schweine- und Butterschmalz. Knödel, Strudel und Bratl bilden die Basis für eine rustikale, kalorienreiche Ernährung.

Zwetschken Knödel in einer Schüssel auf grauem Steinuntergrund

ÜBERRASCHEND VIELFÄLTIG UND „INTERREGIONAL“

Trotz der eher einfachen Zutaten zeigt sich die Mühlviertler Küche aber sehr abwechslungsreich. Diese Vielfalt ergab sich nicht allein durch lokale Unterschiede. Sie hat auch damit zu tun, dass das Mühlviertel über weitreichende Handelsbeziehungen stets im kulinarisch-kulturellen Austausch mit zahlreichen Gebieten stand. Einen großen Einfluss übte etwa das angrenzende Böhmen aus. Dadurch waren die Mühlviertler offen gegenüber Einflüssen von außen. Eine gewisse Mühlviertler Sturheit lässt sich dennoch nicht abstreiten. Das Misstrauen gegenüber allzu „Exotischem“ führte zum Beispiel dazu, dass Kaffee sehr spät Einzug in den Alltag hielt. Saisonalität spielt in der bäuerlichen Hausmannskost genauso eine Rolle wie besondere Anlässe. Das Essen ist, wie überall, oft ans Brauchtum geknüpft. Beispielsweise gab es Krapfen ursprünglich nur zur Korn- und Flachsernte, am Sonnwendtag und zu den „drei heiligen Zeiten“ Ostern, Pfingsten und Weihnachten.

RÄUBERSCHEDL UND FALSCHE FISCHE: DIE KREATIVITÄT DER MÜHLVIERTLER KÜCHE

Der Einfallsreichtum der Mühlviertler Köchinnen und Köche drückt sich aber nicht nur in zahlreichen Rezepten aus, sondern auch in deren Namen. Oftmals wurde mit einer ausgefallenen Bezeichnung die Schlichtheit der Gerichte sprachlich aufgepeppt. Oder würden Sie hinter einer „Oafischsuppe“ (Eierfischsuppe) nicht auch eine spezielle Fischsuppe vermuten? Tatsächlich handelt es sich um eine Suppe mit pochiertem Ei. Und um bei den Fischen zu bleiben: „Falsche Fische“ sind ein Resteessen vom Braten. Hingegen lässt ein „Schedl“ oder „Schedel“ Nicht-Mühlviertler ein schauerliches Mahl befürchten. Vor allem, wenn vom „Räuberschedl“ die Rede ist! Doch keine Angst, so wird in der Rein (Ofenform) Gebackenes genannt. Der Räuberschedl entpuppt sich somit als schmackhafter Kartoffel-Speck-Auflauf. Und wenn vom „Ko“ die Rede ist, kürzt man einfach nur bequem „Koch“ ab – also Hollerko statt Hollerkoch.

Schinken-Kartoffel-Auflauf

SÜSSES MÜHLVIERTEL: DIE MEHLSPEISEN-VARIATIONEN

Neben Suppen ist im Mühlviertel vor allem auch die Mehlspeisenküche besonders ausgeprägt. Das hat unter anderem mit dem reduzierten Fleischkonsum zu tun, der ärmere Gesellschaftsschichten traditionell prägte. Zum Beispiel gibt es alle Arten von süßen „Nudeln“: Mehlnudeln, Mohnnudeln, geschnittene Nudeln und viele mehr. Außerdem finden sich in Mühlviertler Kochbüchern auch gebackene Mäuse, eine Art Hefe-Schmalzgebäck. Hefekrapfen werden mitunter als Wetzsteine bezeichnet, und unter einem Milifleck versteht man eine süße Lasagne. Hasenöhrl sind in Fett ausgebackener Sauerrahmteig, der entweder mit Zucker und Apfelmus oder pikant mit Sauerkraut serviert wird. Stehen Kuhhäute auf dem Menü, handelt es sich dabei um Kartoffelteigfladen, die mit Nuss- oder Mohncreme sowie heißer Butter bestrichen werden. Auch vor Wespennestern auf dem Teller muss man sich nicht fürchten. Stattdessen darf man sich auf eine original Mühlviertler Mehlspeise freuen!

REZEPT FÜR MÜHLVIERTLER WESPENNESTER

Zutaten:

  • 1 kg Kartoffeln
  • 300 g Mehl + für die Arbeitsfläche
  • 100 g Butter + für die Form
  • 1 Ei
  • 5 Äpfel
  • 1 Handvoll Rosinen
  • 100 g Zucker
  • 1 TL Zimt
  • Staubzucker nach Belieben
  • 1 Prise Salz

Zubereitung:

  1. Kartoffeln kochen, schälen und stampfen. Die Masse abkühlen lassen und mit Mehl, 50 g Butter und Salz rasch zu einem geschmeidigen Kartoffelteig verkneten.
  2. Auf einer bemehlten Arbeitsfläche rechteckig ca. ½ cm dick ausrollen. Restliche Butter zerlassen und den Teig damit bestreichen.
  3. Äpfel schälen, Kerngehäuse entfernen und das Fruchtfleisch feinblättrig schneiden. Mit Zimt und Zucker vermischen und auf dem Teig verteilen. Rosinen, Zimt und Zucker darüberstreuen.
  4. Wie einen Strudel einrollen und in ca. 5 cm breite Scheiben schneiden.
  5. Eine Auflaufform mit Butter einfetten und die gefüllten Teigscheiben flach hineinlegen. Mit verquirltem Ei bestreichen und bei 180 °C (Ober-/Unterhitze) ca. 40 min backen.
  6. Vor dem Servieren Staubzucker darüber sieben.
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