1. März 2022

WUNDERLICHE FASTENSPEISEN.

DIE KREATIVITÄT DER ALTEN KLOSTERKÜCHE.

Schweine, die „Fisch“ getauft wurden, oder Fleisch, das man in Teigtaschen versteckte: Die Fastenzeit mit ihren strengen Regeln rief im Mittelalter die Kreativität vieler Klosterköche auf den Plan. Vor allem im deutschsprachigen Raum trieb der kulinarische Erfindergeist kuriose Blüten. Ein Blick in alte Klosterrezepte fördert so einige originelle Fastenspeisen zutage.

WAS DIE FASTENZEIT IM MITTELALTER WIRKLICH BEDEUTETE

Während Fasten heute für uns eine individuelle Entscheidung ist, war es im Mittelalter und in der Neuzeit ein religiöses und gesellschaftliches Gebot. Fastenbrecher wurden gar ins Gefängnis geworfen oder an der Schandsäule am Marktplatz der öffentlichen Ächtung preisgegeben. Und Gelegenheiten dazu gab es damals mehr als genug. Schließlich mussten deutlich mehr Fastentage als heute eingehalten werden, nämlich rund ein Drittel des Jahres. Die Fastenzeit vor Ostern war die strengste. In diesen Wochen waren nicht nur das Fleisch warmblütiger Tiere, sondern auch Milch, Butter und Eier verboten. Außerdem durfte man sich nur einmal am Tag sattessen. Gleichzeitig musste aber weiterhin die harte körperliche Arbeit geleistet werden. In den Klöstern kam hinzu, dass die Mönche und Nonnen während des Fastens auch weniger schliefen, um mehr beten zu können. Den Energiebedarf mit kargen Fastenspeisen decken – ein Ding der Unmöglichkeit. Eine Lösung musste her, und die katholische Kirche ließ sich so einiges einfallen, um die Fastenregeln gottgefällig umgehen zu können.

Gesundes Essen mit Fisch

NICHT FISCH, NICHT FLEISCH?

Besonders viele Schummeleien betrafen den Verzehr von Fleisch. Dieses war während der Fastenzeit vom Speiseplan gestrichen, Fisch hingegen eine traditionelle Fastenspeise. Die Definition von Fisch ließ manche Freiheiten, etwa verspeiste man auch Schnecken, Flusskrebse, Frösche und Muscheln mit Gusto. Sogar Klosterrezepte für Schildkrötensuppe sind bekannt. Irgendwann ging man dazu über, auch andere tierische Wasserbewohner zu den Fischen zu zählen. Bei am Wasser lebenden Arten wie Biber, Fischotter oder Enten mag dies vielleicht noch nachvollziehbar sein. Doch ein Wildschwein zum Bergwal deklarieren? Damit nicht genug: Überlieferungen zufolge trieb man Hausschweine oder Wild durch Bäche und Teiche oder ertränkte sie im Klosterbrunnen. Man scheute keine Mühen, um die Nähe zum Wasser herzustellen. Selbst Schweinetaufen auf den Namen „Fisch“ sollen sich zugetragen haben. Für Geflügel fand man immerhin einen biblischen Grund: Laut Schöpfungsgeschichte schuf Gott die Vögel am selben Tag wie die Fische.

FASTENSPEISEN, DIE NACH AUSSEN DEN SCHEIN WAHRTEN

Viele dieser Begebenheiten ereigneten sich in Österreich und Deutschland. Warum? Hier war es schwierig, die Fastenkost mit Fisch „aufzufetten“. Anders im mediterranen Italien, wo die Fastenregeln festgelegt wurden. Dort konnte man sich mit Meeresgetier sowie Olivenöl als Butter- und Schmalzersatz behelfen. Doch es gab noch einen weiteren Grund, es mit den Fastenregeln nicht so genau zu nehmen. Damals stammten viele Geistliche aus adeligen Familien und hatten entsprechende Erwartungen an ihre Verköstigung, auch in der Fastenzeit. Die Klosterküche stand daher unter einem gewissen Druck – und lieferte. Eine besonders bemerkenswerte Anekdote haben wir der Legende nach dem Kloster Maulbronn zu verdanken. Die Mönche wollten ein Stück Fleisch nicht verkommen lassen. Also faschierten sie es und vermengten es mit Spinat und Kräutern zu einer grünen Masse. Diese wurde in einer Teighülle versteckt – die Maultaschen, im Schwäbischen auch „Herrgottsb’scheißerle“ genannt, waren geboren. Pasteten und Sülzen waren ebenfalls eine beliebte Fastenspeise. Hauptsache, sie hatten die Form „erlaubter“ Tiere, der Inhalt war zweitrangig. Umgekehrt finden sich alte Klosterrezepte für sogenannte Scheingerichte. Dafür wurden aus püriertem Fisch, Mehl und weiteren Zutaten typische Fleischgerichte wie beispielsweise Braten am Spieß nachgeformt. Eine Praxis, die ein wenig an unsere heutigen Fleischersatzprodukte erinnert.

Kräuter-Pasta

WIE DER PAPST SCHOKOLADE ALS FASTENSPEISE ERLAUBTE

Eine große Erleichterung kam für die Klosterbewohner, als ab dem 15. Jahrhundert Butter in der Fastenzeit gestattet wurde. So konnten sie wenigstens Fastenstriezel und andere Süßspeisen backen. Übrigens soll dies die Geburtsstunde der österreichischen Mehlspeisenküche gewesen sein. Jedoch mussten sich die Klöster dieses Recht mit „Butterbriefen“ (ähnlich den Ablassbriefen) teuer beim Papst erkaufen. Vom Kirchenvater hing es auch ab, welche Gerichte als Fastenspeisen durchgingen und welche nicht. So hegte Papst Pius V. eine Abneigung gegen Schokolade und sah darin kein Genussmittel. Man muss dazusagen, dass diese Süßigkeit im 16. Jahrhundert noch viel herber schmeckte. Später ruderte die Kirche zurück und erlaubte nur mehr Trinkschokolade.

Tasse mit heißer Schokolade

„FLÜSSIGES BRICHT DAS FASTEN NICHT“

Diese Sonderstellung des Trinkkakaos hat mit der Regel „Flüssiges bricht das Fasten nicht“ zu tun. Damit lässt sich auch die Entstehung des Fastenbiers erklären, bei der ebenfalls der Papst involviert war. Zu ihm brachte eine Delegation bayerischer Mönche ein Fass Bockbier, um es genehmigen zu lassen. Nur war der Fassinhalt auf dem Weg nach Rom verdorben. Der Papst witterte in der ekelerregenden Flüssigkeit keine Gefahr des Fastenbrechens. Zum Glück für die Mönche, denn dieses besonders starke Bier lieferte wichtige Energie und Kalorien in der Fastenzeit. Wegen der schlechten Wasserqualität war es zudem sicherer, Bier zu trinken, wofür zumindest ein Reinheitsgebot galt. Dadurch waren Bier und Wein selbst für Kinder gängige Getränke. Alkohol war aus diesem Grund vom Fasten ausgenommen. Wie man sieht, hat sich mit dem Fasten im Wandel der Zeit nicht nur die spirituelle Bedeutung des Fastens, sondern auch die Auswahl der Fastenspeisen deutlich geändert.

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